Gewerkschaftsgeschichte hautnah
Nach zweijähriger Corona-Pause hatte die IG Metall Minden am 3. September zur Jubilarfeier in die Lübbecker Stadthalle geladen.
Der kommissarische Geschäftsführer Andreas Bilz nannte in seiner Begrüßungsansprache namentlich Werner Bohnenkamp aus Bad Oeynhausen und Marie Schanzkowski aus Lübbecke. Beide sind 75 Jahre Mitglied der IG Metall, konnten an der Jubilarfeier aber leider nicht teilnehmen. Aus dem Kreis der 70-jährigen Jubilare war Herbert Raupach aus Lübbecke zu seinem Ehrentag erschienen. Bilz: „Unsere Jubilarinnen und Jubilare standen und stehen für Werte wie Demokratie, Solidarität, Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Sie alle haben durch ihr Engagement die IG Metall zu dem gemacht, was sie heute ist: Eine ernst zu nehmende, funktionierende Gewerkschaft, die aus der Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr wegzudenken ist.“
Bilz begrüßte für den Kreis Minden-Lübbecke den stellvertretenden Landrat Siegfried Gutsche und als stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Lübbecke Kathrin Böhning. Beide würdigten in ihren Grußworten die Treue der Jubilarinnen und Jubilare zu ihrer Gewerkschaft.
Die Festrede hielt die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Nordrhein-Westfalen, Anja Weber aus Düsseldorf. „Ich verneige mich vor dem lebenslangen Einsatz von euch, liebe Jubilarinnen und Jubilare, für Solidarität und Gerechtigkeit. Ich verneige mich vor eurer Loyalität und Treue. Und ich verneige mich vor euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, die ihr für ein soziales Fundament unserer Gesellschaft gestritten und gekämpft habt. So viel steht fest: Ohne euch - ohne uns Gewerkschaften – wäre die Welt eine andere!“
Weber erinnerte an die Schutz- und Gestaltungskraft der Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten, an Finanzkrise, an Corona, aber auch an den gesetzlichen Mindestlohn, an die Kampagne „Stark im Wandel“ in Zeiten massiver Veränderungen im Arbeitsumfeld. An die Wahrnehmung, dass im vergangenen Jahrhundert die Nationen sich erstmals darauf verständigt hätten, ohne Krieg miteinander zu leben und zu begreifen, dass Krieg kein Mittel der Politik mehr sein darf.
Weber: „Heute ist die Welt eine andere. Wir haben einen dramatischen Rückschlag erlitten. Mit dem verbrecherischen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine vor sechs Monaten ist der Krieg zurück in Europa. Ganz wichtig ist nun unsere Solidarität mit den Menschen in der Ukraine. Politisch, finanziell und auch militärisch. Aber damit dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Wir brauchen Friedensperspektiven. Denn letztlich schaffen Waffen keinen Frieden.“
Anja Weber erwähnte Ereignisse rund um die Eintrittsjahre der Jubilarinnen und Jubilare – eine Reise durch die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Masterplan im Jahr 1947. Große Not in der Bevölkerung, aber auch erste Erfolge wie ein Mutterschutzgesetz (1952), Schicksalsschläge wie die große Sturmflut in Norddeutschland im Jahr 1962. Aber auch gute Nachrichten: 42,5-Stunden-Arbeitswoche in der Metallindustrie. Zunehmender Terror 1972, aber auch ein neues Betriebsverfassungsgesetz. 1982 wurde Monika Wulf-Mathies als erste Frau Vorsitzende einer Gewerkschaft – der ÖTV. Vor 25 Jahren forderte Bundespräsident Herzog, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen.
„Wer so lange Mitglied einer Gewerkschaft ist, hat auch eine Lebensentscheidung getroffen, eine Entscheidung darüber, auf welcher Seite er oder sie steht. Ihr habt euch dafür entschieden, für Gerechtigkeit und Solidarität einzutreten und euch für Demokratie im Betrieb und in der Gesellschaft stark zu machen. Dafür sei euch herzlich gedankt“, sagte Anja Weber zum Schluss ihrer Festrede.
Ihre Urkunden und Jubiläumsgeschenke hatten die Jubilarinnen und Jubilare bereits mit der Post erhalten, da im Frühjahr nicht absehbar war, ob und in welchem Rahmen eine Präsenzveranstaltung möglich sein würde. Insgesamt ehrte die IG Metall Minden 69 Mitglieder für 25-jährige Mitgliedschaft, 79 und 95 Personen waren 40 und 50 Jahre
Mitglied ihrer Organisation. 27 Kolleginnen und Kollegen waren für 60 Jahre Mitgliedschaft zu ehren, fünf und zwei Mitglieder sind bereits 70 sowie 75 Jahre dabei.
Mit richtig guter Musik umrahmte die Big Band des Mindener Bessel-Gymnasiums unter ihrem Leiter Uwe Kolbus die Jubilarfeier der IG Metall Minden, die mit dem Austausch gemeinsamer Erlebnisse an den vielen runden Tischen der Lübbecker Stadthalle ausklang.